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Kahler Schädel, roter Kopf und nackte Beine – eine Schönheit ist er wahrlich nicht. Und doch ist der schwarz befiederte Waldrapp ein sehr prominenter Vertreter aus der Familie der Ibisse. Im Rahmen eines internationalen Projektes wird der einst in Europa ausgerottete Zugvogel aktuell wieder angesiedelt. Über die Erfolge und Herausforderungen des Projektes mit dem Titel „Grund zur Hoffnung: Die Rückkehr des Waldrapp“ berichtete Projektleiter Dr. Johannes Fritz kürzlich im Rahmen der traditionellen Winter-Vortragsreihe des Nationalparks Berchtesgaden im Nationalparkzentrum „Haus der Berge“.
Der Waldrapp ist ein Zugvogel, der bis ins 17. Jahrhundert auch in Mitteleuropa heimisch war und durch intensive Bejagung verschwand. Heute zählt der bis zu 1,5 kg schwere, gänsegroße Schreitvogel zu den am stärksten bedrohten Vogelarten weltweit. Grund genug für den Tiroler Biologen Dr. Johannes Fritz und sein Team, sich für die Rettung dieses außergewöhnlichen Vogels einzusetzen. Fritz gründete bereits im Jahr 2002 das Waldrappteam. Seit 2014 ist er Leiter des LIFE+ Förderprogramms „Reason for Hope“, in dessen Rahmen Projektmitarbeiter jährlich rund 30 junge Waldrappe von Hand aufziehen mit dem Ziel, sie später wieder in ihrem ursprünglichen Lebensraum wieder anzusiedeln. Die Küken stammen überwiegend aus Zoos und Tierparks in Österreich und werden bereits im Alter von wenigen Tagen von ihren menschlichen Zieheltern übernommen. „Zum Gelingen des Projektes ist eine frühe Prägung und enge Bindung zum Menschen erforderlich“, erklärt der Wissenschaftler. „Denn schließlich müssen die jungen Vögel wieder lernen, ihren traditionellen Flugrouten in die Winterlebensräume zu folgen. Und diese müssen wir Menschen ihnen zeigen“. Hier kommt die innige Beziehung zwischen den Jungvögeln und ihren Betreuern ins Spiel: Bereits kurz nach dem Flügge-werden lernen die jungen Waldrappe, ihren Zieheltern nachzufliegen, die die Jungvögel in Ultraleichtflugzeugen begleiten. „Bei der so genannten menschengeführten Migration folgen die Waldrappe ihren Zieheltern im Herbst von den Brut- und Aufzuchtgebieten in Bayern und Österreich über die Alpen bis in die Toskana. Hier verbringen sie den Winter, um dann im Frühjahr wieder zurück zu kehren“, erklärt der Projektleiter. Auf ihrer Reise nach Italien legen die Tiere pro Tag rund 200 Kilometer zurück und sind täglich bis zu sieben Stunden lang in der Luft. Auf ihren Langstreckenflügen sind die Tiere meist im geordneten Formationsflug unterwegs, um Energie zu sparen.
Seit wenigen Jahren brüten wieder wildlebende Waldrappe in den Brutkolonien in Burghausen und Kuchl: Hier schlüpften im Jahr 2019 insgesamt 37 Jungvögel. „Diese Kolonien erhalten sich mittlerweile selbstständig“, freut sich Dr. Fritz über einen ersten, großen Erfolg des Projektes. „Doch die Gesamtpopulation ist noch zu klein, um selbstständig überleben zu können. Daher hoffen wir, das Projekt noch bis Mitte der 2020er Jahre fortführen zu können. Dann hätten wir eine selbstständig überlebensfähige Gesamtpopulation aufgebaut. “ Das erste LIFE+-Projekt zur Waldrapp-Wiederansiedlung wurde Ende 2019 nach gut sechsjähriger Laufzeit abgeschlossen. Derzeit läuft ein neuer Projektantrag, über den in Kürze entschieden wird.
Um die Bestände weiter zu stützen, betreut das Projekt seit 2017 eine dritte Waldrapp-Population in Überlingen am Bodensee. Auch hier sind erste Erfolge bei Aufzucht und Migrationsverhalten zu verzeichnen. „In der zweiten Projektphase möchten wir weitere Brutkolonien etablieren, unter anderem in der Schweiz, in Italien und an einem weiteren Standort in Österreich“, hofft der Projektleiter auf eine Bewilligung der Förderanträge. Denn das Leben eines friedfertigen, geselligen und auffälligen Zugvogels ist gefährlich und die Sterblichkeitsrate hoch: „In Italien ist die illegale Vogeljagd ein großes Problem. In Österreich sind es vor allem Stromschläge an Hochspannungsmasten, die unsere Waldrappe töten“, bedauert Dr. Fritz. Doch in beiden Fällen wird das Waldrapp-Team bereits aktiv: In Österreich haben sich mehrere Netzbetreiber bereit erklärt, ihre Strommasten an den wichtigsten Flugrouten, Rast- und Brutplätzen der Waldrappe zu isolieren. Illegale Abschüsse in Italien werden konsequent verfolgt und zur Anzeige gebracht. Dabei helfen den Artenschützern die GPS-Sender, mit denen alle Vögel des Projektes ausgestattet sind. „Wir wissen zu jeder Zeit, wo sich unsere Vögel aufhalten und können dadurch illegal abgeschossene Tiere schnell orten“. Dennoch ist es nach Aussage der Projektmitarbeiter eine Mammutaufgabe, die tatsächlichen Jäger vor Ort zu ermitteln, was nur in Einzelfällen gelingt. Dann aber wird es teuer für den unrechtmäßigen Schützen und auch ein Entzug der Jagdlizenz kann die Folge sein. Erfolgversprechender ist dagegen eine groß angelegte Aufklärungskampagne des Waldrapp-Teams in der italienischen Jägerschaft. Die illegalen Abschüsse konnten damit bereits um beachtliche 50 Prozent reduziert werden. Dank intensiver Öffentlichkeitsarbeit ist das Waldrapp-Projekt heute eines der populärsten Artenschutzprojekte in Italien.
Im Jahr 2019 zählte das Projekt eine Populationsgröße von rund 140 Tieren. Nach Berechnungen der Wissenschaftler werden rund 180 weibliche Tiere benötigt, um eine selbstständig überlebensfähige Population zu etablieren. Dafür möchte sich das Waldrapp-Team rund um Dr. Johannes Fritz in den kommenden Jahren weiter engagieren. Informationen zum Projekt gibt es unter www.waldrapp.eu.
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Bildnachweis (Credit: Nationalpark Berchtesgaden): Waldrapp-Projekt.jpg
Vor rund 100 Besuchern präsentierte der Biologe und Projektleiter Dr. Johannes Fritz (r.) im Nationalparkzentrum „Haus der Berge“ die Erfolge und Herausforderungen eines der größten Artenschutzprojekte Europas: Der Wiederansiedlung des Waldrapp. Ulrich Brendel (l.), stv. Nationalparkleiter, freute sich über das große erneut Interesse an der traditionellen Winter-Vortragsreihe des Nationalparks.
Bildnachweis (Credit: Waldrapp-Team, Dr. Johannes Fritz): Waldrapp-Flug.jpg
Die von Hand aufgezogenen Waldrappe kennen die traditionellen Zugrouten ihrer Vorfahren nicht mehr. Bei der so genannten „menschengeführten Migration“ begleiten die Zieheltern ihre Jungvögel in Ultraleichtfliegern von Österreich und Bayern über die Alpen bis in die Toskana.
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